Sand – Das Öl unserer Zukunft [Archiv 15.10.2017]

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„Das gibt es doch wie Sand am Meer“ – jeder kennt diesen Ausdruck, nicht jedoch, dass es laut düsteren Prognosen 2100 möglicherweise keine Sandstrände mehr auf unserem Planeten geben wird. Um Sand und Wasser werden wohl Kriege ausbrechen, wie unserer Zeit um Erdöl oder Erdgas. Wie kann das sein?

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Zu sehen ist hier der Poyang-See, er ist nicht nur China größter Süßwassersee, sondern auch die größte Sandmiene der Welt. [Bild: Wikimedia]
Sand (in eingeschmolzener Form) wird für die Produktion diversester Alltagsgegenstände benötigt: Elektronik, Kosmetik, Transportmittel und vor allem den Häuserbau. So sind etwa 90 % des Verbrauchs ist allein auf die Herstellung von Betonstahl zurückzuführen. Insgesamt beträgt das Volumen des Sand- und Kiesabbaus etwa 40 Milliarden Tonnen pro Jahr, was eine solch gigantische Summe entspricht, dass Sand nach Wasser die zweitmeist genutzen Ressource der Welt ist. Tendenz stark steigend.

Eng zusammen mit der explodierenden Nachfrage hängt der rasanten Wiederaufstieg des Ostens. Nicht nur hat es einen ökonischen Boom und Bevölkerungsexplosion in vielen asiatischen Länder gegeben, sondern auch die daraus resultierenden Ressourcenansprüche müssen gedeckt werden.

China beispielsweise verbraucht 60 % des weltweit geförderten Sandes und hat damit in den letzten vier Jahren mehr Sand verbraucht als die USA im ganzen 20. Jahrhundert. Doch auch im Nachbarstaat Indien setzen die gigantischen Metropolregionen von Mumbai oder Neu Dehli denen Beijing, Shanghai oder Shenzhen in großen Schritten nach. Seit 2000 hat Indien seinen Sandverbrauch so verdreifacht, dabei kämpft das riesige Land noch immer mit massiver Armut und taucht in den Listen der größten Slums des Planeten auf.

In Dubai hat man nicht nur durch den Bauboom, sondern auch durch die Erschaffung künstlicher Inseln, wie The Palm Jumeirah oder The World die gesamten Sandreserven des Gebietes verbraucht. Da der Sand der Wüste Rub al-Chalil, die sich im Rücken der Metropole  erstreckt, durch seine Beschaffenheit jedoch nicht zum Bau verwendet werden, ist Muhammad bin Raschid Al Maktum, der Herrscher Dubais, paradoxerweise gezwungen Sand aus Australien zu importieren. Obwohl der Rohstoff bisher noch so gut wie kostenlos ist, wird das globale Handelsvolumen bereits mit 70 Mrd. Dollar pro Jahr beziffert, 5 Mrd. davon nimmt allein Down Under durch seine Sandexporte ein.

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Manueller Sandabbau durch billige Arbeitskräfte im Thane Creek von Mubai. Die Sandmafia übt durch den Bauboom des riesigen Landes einen erheblichen Einfluss aus. [Bild: Wikimedia]

Da unsere natürlichen Sandvorkommen bereits fast erschöpft sind, hat man angefangen das Sand des Meeres abzupumpen – mit fatalen Folgen. In Marokko sind so laut des Deutschlandfunks bereits die Hälfe aller Strände abgetragen worden und auch Kalifornien verliert pro Jahr 8 Hektar seiner Goldküste. Schätzungen der UNEP zufolge verschwinden sogar drei von vier Stränden weltweit (!). In einem perversen Kreislauf schüttet man in den reichen Gebieten den abgetragenen Sand durch neu gepumpten Sand wieder auf, so wie zum Beispiel auch auf Sylt. Dieser Umstand erklärt auch, wieso man beispielsweise in Italien mit einer Geldstrafe rechnen muss, wenn man Sand als Urlaubserinnerung mitnehmen will.

In den Malediven sind bereits 12 und Indonesien 26 Inseln von der Landkarte verschwunden. Schuld hat hier nicht nur der immense Ressourcenverbrauch des Stadtstaates Singapurs, sondern auch die Sandmafia – die mächtigste Mafia Indiens. Tatsächlich werden geschätzt 40-45 % des globalen Sandsbedarfs illegal erwirtschaftet. Für einen Hugerlohn rauben arme Inder den Sand aus Flüssen und Seen und zerstören dabei ihr eigenes Land, während die Mafia Milliarden durch die gewaltigen Bauprojekten der Metropolregionen Ostasiens verdient.

Ist Sand jedoch erst einmal zu Zement verarbeitet, lässt er sich fast nicht mehr in seine ursprüngliche Form zurückverwandeln und für eine natürliche Entstehung braucht es Jahrtausende. Er ist also als eine endliche Ressource anzusehen.

Die offensichtlichste Folge hieraus ist natürlich, dass es wohl keine Sandstrände mehr geben wird, beziehungsweise diese zurückgehen. Darunter wird nicht nur der Tourismus und unser Urlaubserlebnis, sondern auch die Natur leiden. Durch das Anpumpen des Sandes, werden dessen Bewohner wie Krebse, Muscheln oder Mikroorganismen getötet, wodurch eine der wichtigsten Grundlagen für das maritime Ökosystem fehlt und somit eine massive Bedrohung für das Leben in Meeren, Flüssen und Seen besteht. Das Absterben, der ohnehinschon bedrohten Korallenriffe wird dadurch ebenso beschleunigt.

Eine weitere Folge ist eine Änderung der Meeresströmungen, was klimatische Veränderungen und Erosionen zur Folge haben wird. Durch das Fehlen der dämmenden Wirkung des Sandes und der Dünen an den Küsten, werden darüber hinaus nicht nur die Auswirkungen des steigenden Meeresspiegels verstärkt, sondern auch die Küsten dem Meer ungeschützt ausgeliefert. Erste Brücken sind als Folge bereits eingestürzt und mit der Prognose im Hinterkopf, dass bald wohl ¾ der Menschheit an Küsten wohnen werden, blicken wir mit dem aktuellen Status-Quo also keiner allzu rosigen Zukunft entgegen.

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Sandabbau im indischen Bundesstaat Karnataka. [Bild: PxHere]
Wir befinden wir uns in herausfordernden Zeiten, aber in Herausforderungen stecken immer auch Chancen und paradoxerweise stellen also die scheinbar endlos vorhandene Sandkörner eine Zeitbombe dar. Obwohl dieser Artikel kein wirklich positives Fazit zulässt, gibt es trotzdem Hoffnungsschimmer, denn es gibt Alternativen zum Bauen mit Beton. Der Häuserbau und gerade auch der Bau von Wolkenkratzern wird selbstverständlich auch in Zukunft geschehen, doch wie wir es in anderen Bereichen, wie der Energiegewinnung oder dem Verkehr sehen, müssen wir nicht den ausgetretenen Pfaden folgen.


Ich hoffe diese recht unbekannte, aber hochaktuelle, Thematik war interessant. Wer sich weiter über dieses Thema informieren will, dem empfehle ich die Dokumentation „Sand Wars von Denis Delestrac, welche mich sehr zu diesem Essay inspirierte.


Quellenverzeichnis
https://www.youtube.com/watch?v=IdUXuOSyaQo [15.10.17]
https://www.theguardian.com/cities/2017/feb/27/sand-mining-global-environmental-crisis-never-heard [15.10.17]
https://iasscore.in/national-issues/sand-mining-and-its-impact [15.10.17]
https://www.wired.com/2015/03/illegal-sand-mining [15.10.17]
http://threeissues.sdsu.edu/three_issues_sandminingfacts01.html [15.10.17]
https://www.derwesten.de/reise/keinen-sand-aus-italien-mitnehmen-sonst-drohen-geldstrafen-id.html [15.10.17]

Hier noch eine sehr spannende Liste, über die geplanten Wolkenkratzer der nahen Zukunft.

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