2019: Die höchsten Wolkenkratzer des Jahres

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Wie ich es im letzten Artikel ankündigte, wird es nun um die höchsten fertiggestellten Gebäude dieses Jahres gehen und hoffe, dass dieses spezielle Thema nicht nur mich erfreuen wird. Wolkenkratzer sind nicht nur durch ihr Äußeres faszinierend, sondern gerade auch durch ihre gesellschaftliche, psychologische und wirtschaftliche Bedeutung. 2019 wurden insgesamt 126 dieser Giganten mit einer Höhe von mindestens 200 Metern erbaut, welche wir uns nun genauer ansehen werden. In ganz Deutschland stehen bis dato übrigens nur fünf Hochhäuser, welche diese Bedingung erfüllen würden und sie sind alle Teil der Skyline Frankfurts. Ich habe die Daten des Artikels überwiegend der Seite „The Skycraper Center“ des Council on Tall Buildings and Urban Habitat (CTBUH) entnommen – ein Paradies für all diejenigen, welche sich ebenfalls mit dieser Materie befassen möchten.


1. Überblick – Ein Jahr der Rekorde und Shenzhen, die unaufhaltsame Metropole
2. New York – Über die Renaissance einer Weltstadt
3. Wie ist der Stand in Deutschland?
4. Jeddah Tower – Wie steht es um die Baustelle des höchste Haus des Planeten?


1. Überblick – Ein Jahr der Rekorde und Shenzhen die unaufhaltsame Metropole

Als Wolkenkratzer gelten alle Gebäude ab einer strukturellen Höhe von 150 Metern. Wenn sogar 300 Meter erreicht werden, spricht man laut CTBUH von einem „supertall Skyscraper“.[1] Dieses Jahr wurden 26 Wolkenkratzer fertiggestellt, was einen neuen historischen Rekord darstellt und acht mehr als letztes Jahr sind. Die 20 höchsten hiervon, werden wir uns nun genauer ansehen:

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Quelle: CTBUH

Fangen wir zunächst mit dem offensichtlichsten an: Das höchste fertiggestellte Gebäude des Jahres ist das 530 Meter hohe chinesische„Tianjin CTF Finance Centre“ (auch „Tianjin Chow Tai Fook Binhai Center“ genannt). Es belegt den neue 7. Platz der Welt und ist zudem das neue höchste Gebäude der namensgebenden boomenden Hafenmetropole.[2] Nun, jedenfalls solange, bis der im Bau befindliche 596 Meter hohe „Goldin Finance 117“ noch nicht fertiggestellt ist.[3] Tianjin ist darüberhinaus auch Teil von „Jing-Jin-Ji“, einem City-Cluster rund um die Hauptstadt Beijing, welches derzeit zur größten Metropolregion der Welt ausgebaut wird. Ich berichtete über dieses hochspannende Megaprojekt bereits in einem eigenen Artikel.

Um einmal die Verteilung der neuen höchsten Gebäude zu visualisieren, habe ich diese auf einer Weltkarte markiert. Es wird hieraus sehr deutlich, dass es vier Hotspots gibt: Nordamerika, Ostasien, Ozeanien und die arabische Halbinsel.

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Quelle: CTBUH

Dieses Jahr hat noch weitere Rekorde bereitgehalten, denn sowohl der Kontinent Europa, wie auch Afrika haben neue höchste Gebäude erhalten, auch wenn diese im internationalen Vergleich keine große Rolle spielen. In Europa ist es das 462 Meter hohe „Lakhta Center“ von St. Petersburg und in Afrika das 265 Meter hohe Minarett der „Djamaa el Djazaïr“ („Große Moschee von Algier“) und der 227 Meter hohe „Leonardo“ von Johannesburg.

Der Grund wieso ich Afrika zwei Mal aufgezählt habe ist der, dass ich das Minarett trotz seiner multifunktionalen Nutzung nur bedingt als Hochhaus ansehen kann. Es spielt aber keine große Rolle, schließlich handelt sich hier ebenfalls um das neue höchste Minarett der Welt, welches Teil der neuen drittgrößte Moschee ist.[4] Doch der Bau der milliardenschweren „Djamaa el Djazaïr“ war alles andere als unumstritten. So wird sie im Volksmund auch „Bouteflika-Moschee“, nach dem ehemaligen algerischen Präsidenten Abd al-Aziz Bouteflika, genannt, welcher diese trotz der alarmierenden Armut im Land als sein Prestige-Projekt erbaute.[5] Wie es um das Ansehen des Präsidenten in der Bevölkerung stand, wurde bei der Verkündigung einer möglichen fünften Amtsperiode mehr als deutlich, da aus Protest hunderttausende Menschen auf die Straße gingen. Als schließlich sogar der Halt im Militär nachließ, musste Bouteflika im April dieses Jahres zurücktreten.[6] Doch auch die Bauumstände an sich sind faszinierend, so ist die Moschee von den deutschen KSP Jürgen Engel Architekten und den Ingenieuren der Krebs+Kiefer GmbH entworfen und der chinesischen China State Construction Engineering Corporation (dem größten Bauunternehmen der Welt) erbaut worden. Während die chinesische Regierung also im eigenen Land Muslime verfolgt, erbaut sie mit ihrem zentral verwalteten Bauunternehmen am anderen Ende der Welt die drittgrößte Moschee des Planeten.[7]

„The Leonardo“ hingegen wird das südafrikanischen „Carlton Centre“ als höchstes Hochhaus in Afrika ablösen. Somit steht in Johannesburg zum fünften Mal in Folge seit 1965 das höchste Gebäude des Kontinents und mit dem fast 270 Meter hohen „Hillbrow Tower“ seit beinahe 50 Jahren ebenfalls der höchste Fernsehturm. Die größte Stadt Südafrikas dominiert damit in diesen Disziplinen seit Jahrzehnten den afrikanischen Kontinent.[8]

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Das Lakhta Center, neues höchstes Gebäude Europas. [Bild: Privat]
Kommen wir nun zu Europa, genauer gesagt dem „Lakhta Center“ (benannt nach dem gleichnamigen Stadtbezirk in St. Petersburg), das neue höchste Gebäude des Kontinents.[9] Der Wolkenkratzer am nördlichen Stadtrand, sticht wie ein gewaltiger Leuchtturm über den eigentlich recht niedrigen Dächern der Stadt hervor und dient unter anderem als das neue Hauptquartier des Energieriesen Gazprom. Da ich das Gebäude in den letzten Zügen des Baus bereits selbst sah, füge ich anbei ein privates Bild an. Nach dem „Lakhta Center“ befinden sich übrigens auch die nächsten vier höchsten Gebäude Europas in Russland und zwar in Moskau.[10] Mit der sogenannten „Moscow-City“ besitzt die russische Hauptstadt damit interessanterweise die mit Abstand höchste Skyline Europas, gefolgt von Istanbul und London.[11]

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Quelle: CTBUH

Ich erwähnte im Titel bereits noch eine andere Stadt und zwar Shenzhen. Die südchinesische Metropole nahe Hong Kong ist dieses Jahr zwar nicht durch besonders hohe Gebäude aufgefallen, dafür ist sie jedoch das vierte Jahr in Folge die Stadt mit den meisten neuen Wolkenkratzern des Planeten. Unglaubliche 11,9 % (15 von 126) der neuen höchsten Gebäude wurden nur dort errichtet. In meinem Artikel zu „Jing-Jin-Ji“ berichtete ich bereits staunend über die boomende Hi-Tech Hochburg und sollte dieses rasante Wachstum anhalten, könnten wir getrost vom „New York des 21. Jahrhundert“ sprechen. Ihr kometenhafter Aufstieg der letzten Jahrzehnte, stellte all die anderen boomenden Megacities Ostasiens in den Schatten. Die meisten werten Leser/innen werden sich jetzt vermutlich wundern, über welche Stadt ich hier überhaupt spreche und auch ich persönlich bin nur durch die Wirtschaftsbeziehungen meiner alte Arbeitsstelle vor gut vier Jahren auf Shenzhen aufmerksam geworden. Als ich durch Nachfragen mehr darüber erfuhr, begann ich zu begreifen, was mir bisher entgangen war. Mit über 12 Millionen Einwohnern kann Shenzhen jeder europäischen Stadt leicht das Wasser reichen und ich kann nur empfehlen das „chinesische Silcon Valley“ ebenfalls im Auge zu behalten.[12] Allein innerhalb der letzten 30 Jahre hat sich die Bevölkerungszahl des ehemaligen Fischerdorfs mehr als verzehfacht und weißt heute mit den höchsten Lebenstandard von China auf.  Auf den zweiten Platz der Städte mit den meisten neuen Wolkenkratzer folgt abgeschlagen übrigens Dubai und auf Platz drei erstaulicherweise New York City, was mich zum nächsten Kapitel führt.

2. New York – Über die Renaissance einer Weltstadt

New York, New York! Die Weltmetropole am Hudson River erlebt derzeit einen unglaublichen Wandel. Mit der Fertigstellung des „One World Trade Centers“ im Jahr 2014 wurde nicht nur der ersten Platz der höchsten Gebäudes des Landes wieder vom Konkurrenten Chicago zurückerlangt und ein Teil des Traumas vom 11. Septembers bewältigt, sondern ein wahrer Bauboom eingeläutet.[13] So wie New York vor gut hundert Jahren die moderne Skyline definierte, so wird im Big Apple heute ein neuer Trend gesetzt: Die Ära der Wohntürme hat begonnen.[14] Während früher der Himmel von den immer höheren Headquartern der Konzerne der reichsten Menschen der Welt erobert wurde, so sind es heute die Wohnungentürme der reichsten Menschen der Welt.

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Aus der Skyline New Yorks sticht das „One World Trade Center“ hervor. [Bild: Wikipedia]
Zusammen mit Dubai, wurde also die Zeitalter der „Residential Tower“ eingeläutet und das Geschäft boomt. Die Apartments der Superreichen, haben es zu einer solchen Popularität geschafft, dass in New York bereits ein ganzes Stadtviertel nahe dem Central Park nach dem Trend benannt ist: The Billionars Row – der exklusivste Wohnbezirk der Welt.[15] Um sich das besser vorstellen zu können, hilft es zu erwähnen, dass seit 2015 allein in der 57th Street bereits 41 Apartments mit einem Wert von je über 25 Millionen US-Dollar verkauft wurden. Der Rekord für das teuerste Apartment wurde dabei 2014 vom Tech-Unternehmer Micheal Dell mit einem Preis von unglaublichen 100,5 Millionen US-Dollar gebrochen, doch Hedgefond-Manager Kenneth C. Griffin stellte diese Summe Anfang dieses Jahres mit einer Shoppingtour in Höhe von 238 Millionen US-Dollar für sein neues Penthouse weit in den Schatten. [16] [17] Während sich Normalverdiener also nicht einmal mehr eine Besenkammer in der Stadt leisten können, gehen absurd teuren Luxusapartments weg wie warme Semmeln. In wenig anderen Bereichen wird die grassierenden sozialen Ungleichheit so deutlich, wie auf dem Immobilienmarkt.[18]

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Wie Streichhölzer wachsen die gigantischen Wohntürme der „Billionars Row“ in den Himmel. [Bild: BlindeX|Pixabay]
Mit der Fertigstellung des 425 Meter hohen „432 Park Avenue“ im Jahr 2015 fing New York an, an dem bisherigen Vorreiter Dubai vorbeizuziehen und die höchsten Wohntürme zu dominieren. Dieses Jahr war das höchste Wohngebäude der Metropole zwar der „nur“ 290 hohe „220 Central Park South“, dafür werden nächstes Jahr aller Wahrscheinlichkeit nach zwei neue Wolkenkratzer der Superlative fertiggestellt werden: Der 435 Meter hohe „111 West 57th Street“ und der „Central Park Tower“, welcher mit seiner Höhe von 472 Metern das neue höchste Wohngebäude des Planeten und an seiner Dachhöhe gemessen das neue höchste Gebäude der Vereinigenden Staaten sein wird.[19]

Und wie steht es um die Zukunft New Yorks? Hätte man mich vor sechs Jahren gefragt, hätte ich behauptet, dass die Weltmetropole ihren Zenit überschritten hat – doch weit gefehlt. Auch noch über 110 Jahre nachdem das „Singer Building“ als erster Wolkenkratzer (über 150 Meter) der Welt fertiggestellt wurde, hält sich die „Empire City“ auf dem zweiten Platz der Städte mit den meisten Hochhäusern der Welt und gibt sich noch lange nicht geschlagen.[20] [21] Allein derzeit befinden sich 30 neue Wolkenkratzer über 150 Metern im Bau, welche alle bis 2023 fertiggestellt sein sollen.

3. Wie ist der Stand in Deutschland?

Deutschland und Wolkenkratzer sind zwei Wörter die eigentlich nicht zusammengehören – Frankfurt am Main einmal ausgenommen. Dieses Kapitel wird daher auch entsprechend kurz, denn die höchsten fertiggestellten Gebäude des Jahres in Deutschland sind nur vier Stück und alle reichen nicht im Ansatz an den internationalen Standard heran:

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Quelle: Skyscraper Center
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Das höchste Gebäude des Jahres im Vergleich zum „Omniturm“.

Das gerade München mit zwei Gebäuden vertreten ist, ist eigentlich ein Wunder, denn die bayerische Hauptstadt hatte einst mit einem Bürgerentscheid sogar ein Hochhausverbot verabschiedet. Doch da die fertiggestellten Gebäude unter 100 Meter hoch sind, wurde dieses brav eingehalten. Sowohl der „Sky Tower“ als auch der „Blue Tower“ sind Teil der sogenannten „Bavaria Towers“, einem neuen Hochhauskomplex von vier Gebäuden im Osten der Stadt. Der hessische „Marienturm“ dagegen, ist das neue 14. und der „Omniturm“ das 6. höchste Gebäude Deutschlands und können beide nach Definition des CTBUH auch als Wolkenkratzer betitelt werden.

Als kleines „Schmankerl“ zu diesem kurzen Kapitel möchte ich noch einen Ausblick gewähren, denn für deutsche Verhältnisse befinden sich tatsächlich einige Türmchen in der Planung oder bereits im Bau. Ganz vorne dabei ist natürlich wieder Frankfurt, dessen Skyline nächstes Jahr beispielsweiße durch den „Grand Tower“ erweitert wird, welcher das neue höchste Wohngebäude der EU wird. Insgesamt befinden sind in der Finanzmetropole am Main derzeit sogar neun Gebäude über 100 Meter im Bau. Doch auch in Berlin und Hamburg wird gebaut. In der Hauptstadt sind mit dem „Hines Hochhaus“, „Alexander Tower“ und „Estrel Tower“ sogar gleich drei Wolkenkratzer über 150 Metern geplant. Sie werden nicht nur die neuen höchsten Gebäude der Stadt werden, sondern auch ihr Antlitz deutlich prägen. Zwei davon sind übrigens ebenfalls wieder Wohntürme, der Trend ist somit bereits nach Deutschland übergeschwappt, auch wenn ich nicht finde, dass diese Luxusapartments zu Berlin passen. Interessant zu erwähnen ist außerdem, dass sich in Berlin ebenfalls der 140 Meter hohen „Edge East Side Tower“ bereits im Bau befindet und entgegen großer Proteste wohl neuer Amazon Standort von Berlin wird. Hamburg setzt dagegen auf ein Projekt, welches es jedoch in sich hat: Der 245 Meter hohe „Elbtower“ wird nicht nur mit Abstand das höchste Gebäude der Hansestadt, sondern bei seiner geplanten Fertigstellung im Jahr 2025 der dritthöchste Wolkenkratzer Deutschlands.

4. Jeddah Tower – Wie steht es um die Baustelle des neue höchste Haus des Planeten?

So gut wie jeder Pilger landet während des „Haddsch“ zur Geburtsstadt des Propheten Mohammeds am Flughafen des „Tor nach Mekka“ – Jeddah am roten Meer.[22] [23] Die zweitgrößte Stadt des Königreichs Saudi-Arabiens, ist zwar nicht so bekannt wie das gut 65 km entfernte Mekka, doch trotzdem gibt es einige interessante Fakten über sie. So besitzt Jeddah nicht nur größten Hafen des Landes, sondern auch den größten Fahnenmast und größten Springbrunnen der Welt … und womöglich bald auch das neue höchste Gebäude des Planeten.[24] [25]

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Modell des „Jeddah Towers“. [Bild: Wikipedia]
Der nach der Stadt benannte „Jeddah Tower“ soll mit einer geplanten Höhe von unglaublichen 1.007 Metern, als erstes Gebäude der Geschichte die magische Grenze von 1 Kilometer knacken und damit den 828 Meter hohen „Burj Khalifa“ der benachbarten Emiraten nochmals um ein gutes Stück überragen.[26] [27]

Auch die 664 Meter hohe Aussichtplattform soll die höchste der Welt werden und sogar einen Blick an die 230 km entfernte afrikanische Küste bieten können.[28] Da Mekka ebenfalls nicht weit ist, wird man womöglich auch die heiligste Stadt des Islams sehen können.

Symbolisch steht dieser gigantische Turm nicht nur für die Legitimation der heiligen Stätten für saudischen Königshaus (hierüber gibt es immer wieder Konkurrenzkämpfe mit der Türkei und dem Iran), sondern soll auch allen Pilgern zeigen, dass der Segen und die Herrlichkeit Gottes auf ihrer Seite stehen. Das einzige Problem: Allah spielt dabei wohl nicht mit, denn eigentlich sollte der „Jeddah Tower“ bereits seit 2017 stehen, doch noch immer ist er lediglich eine riesige Baustelle in der Wüste.[29] [30] Zur Zeit plant man 2024 mit der Fertigstellung und selbst das ist fragwürdig. Woran liegt das?

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Prinz Al-Waleed bin Talal, der „Vater“ des Jeddah Towers, war seiner Familie ein Dorn im Auge. [Bild: Wikimedia]
Fangen wir beim „Vater“ des „Jeddah Towers“ an, dieser ist Prinz Al-Waleed bin Talal bin Abdulaziz al Saud, Mitglied der saudischen Königsfamilie und Eigentümer der Investmentgesellschaft Kingdom Holding Company, welcher der Turm zum Großteil gehört.[31] Bis vor wenigen Jahren war er noch einer der reichsten Menschen der Welt (2015 war er mit einem Vermögen von 22,6 Mrd. reicher als der König des eigenen Landes (!)[32]) und trug den Spitznamen „Warren Buffett von Arabien“.[33] ‚War‘ deshalb, weil er bei Kronprinz Mohammed bin Salman bin Abdulaziz Al Saud wohl in Missgunst fiel und in dessen mysteriöser Anti-Korruptionskampagne 2017 zusammen mit 381 anderen Personen für mehrere Monate in das Ritz-Carlton Hotel von Riad eingesperrt und quasi enteignet wurde – seitdem wurde es still um ihn.[34] Die ganze Kampagne brachte dem Königshaus ungefähr 107 Mrd. US-Dollar ein und kann getrost als Machtkampf angesehen werden, denn Korruption ist im Königreich alles andere als außergewöhnlich.[35] [36] Das Geld ist dabei nicht nur ein netter Nebeneffekt anzusehen, dann Saudi-Arabien steuert auf eine ungewisse Zukunft zu.

Monetär gesehen glich das Land die jüngste Zeit im wahrsten Sinne des Wortes dem Schlaraffenland und bis vor kurzem musste man dort als Bürger nicht einmal Steuern zahlen.[37] Doch dieser unglaubliche Reichtum basiert vor allem auf der Gunst der USA und dem Öl, welches der globale Trend jedoch als veraltet ansieht.[38] Während Nachbarländer wie Qatar oder die VAE es geschafft haben, durch Tourismus, dem Hosten internationaler Sportereigisse oder technologische Innovationszentren neue Standbeine aufzubauen, ist die große Wüstenmonarchie noch sehr abhängig vom schwarzen Gold. Reiche Saudis wie Al-Waleed bin Talal haben zwar das Investment für sich entdeckt und sind mit Milliardenbeträgen in allen möglichen internationalen Konzernen (vor in den USA) beteiligt, hierbei handelt es sich jedoch mehr um private Absicherungen, als die Zukunft des Landes.

Der „Jeddah Tower“ samt der geplanten „Jeddah Economic City“ ist also eines jener Projekte, welche Saudi Arabien eine Zukunft ohne Öl ermöglichen soll.[39] Ohne diese Visionen würde das Königreich auf lange Sicht wohl wortwörtlich wieder im Sand versinken – selbst trotz der heilige Stätte. Auch der Börsengang von Saudi Aramco, dem größten Erdölunternehmen der Welt, zeigt, dass das Land um seine missliche Lage weiß. Wir werden sehen, ob die Rechnung aufgeht, der „Jeddah Tower“ zeugt jedoch noch nicht von der besten Entwicklung.

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Die Baustelle im Jahr 2017, zu dieser Zeit sollte der Turm eigentlich schon fertiggestellt sein. [Bild: Wikimedia]
Ein weiterer hochspannender Fakt ist auch die Baufirma des „Jeddah Towers“. Diese gilt als Begründer der Infrastruktur Saudi-Arabiens und hat neben Flughäfen, Straßen, Palästen und Hotels, bereits die „al-Aqsa Moschee“ in Jerusalem restauriert, die „al-Masdschid al-Harām“ von Mekka, zur größte Moschee der Welt erweitert, oder den „Abraj Al Bait“ erbaut, das dritthöchste Gebäude und größter Uhrenturm der Welt. Die Rede ist von der Saudi Binladin Group.[41] Gegründet wurde das Unternehmen 1931 von Mohammed bin Awad bin Laden, unter dessen Nachwuchs sich auch ein gewisser Osama bin Laden befand – ups.[42] Was viele nicht wissen: Osama bin Laden stammte aus der mächtigsten und reichsten Familie außerhalb der Königsfamilie von Saudi-Arabien und allein sein Erbe betrug gut 30 Millionen Dollar.[43] Ich möchte diesen kurzen Ausschweifer machen, weil er so wichtig ist. Bin Laden war also keinesfalls ein hilfloses unbedeutendes Wüstenkind, sondern studierte BWL auf der „King Abdulaziz University“ und verbrachte 1971 sogar ein Auslandssemester in Oxford.[44] Seinen Aufstieg bei Mujahideen und später der Al-Qaeda, verbunden mit seiner Radikalisierung, waren nur durch das Geld der Saudi Binladin Group und des amerikanischen Außenministeriums zur Schwächung der Sowjetunion möglich.[45] Osama bin Laden wurde in seiner Heimat lange als Held gefeiert, der Bruch mit der saudischen Königsfamilie und die folgende Verbannung 1991, kam schließlich dadurch, dass er die Stationierung amerikanischer Truppen im Land kritisierte. Er bezeichnete Saudi-Arabien als „Kolonie Amerikas“ und hatte damit nicht einmal unrecht. Um hier zu differenzieren, ist es jedoch wichtig zu erwähnen, dass Osama bin Laden 1993 auf Druck des Saudischen Königshauses ebenfalls aus seiner Familie verbannt wurde. Da Mohammed bin Awad bin Laden 54 Kinder hatte, ist es längst nicht so, dass der Name bin Laden mit Terroismus gleichzusetzen ist und gerade zu Familie Bush bestanden ironischerweise gute Beziehungen.[46] Kehren wir nun aber zurück in die Gegenwart und machen einen kurzen Stopp im Jahr 2015.

Damals kam Kronprinz Mohammed bin Salman auf Bakr bin Laden (dem Konzernleiter und größter Anteilseigner der Binladin Group, sowie dem Halbbruder von Osama bin Laden) zu und wollte Partner des Konzerns werden.[47] Anstatt das Angebot sofort anzunehmen, wollte sich der gewissenhafte Geschäftsmann jedoch zunächst mit den anderen Anlegern absprechen. Aufgrund der oben beschriebenen schwierigen Wirtschaftslage, forderte der Prinz den Konzern zudem auf Aktien zu verkaufen, um dem sinkenden Ölpreis entgegenzuwirken. Da dies wirtschaftlich für das Unternehmen jedoch keinen Sinn ergab, zögerte die Binladin Group hier erneut. Als im Herbst des Jahres schließlich ein ungeklärter Unfall mit über 100 Toten auf einer Baustelle in Mekka ereignete, wurde die Chance genutzt, um keine neuen Staatsaufträge an die Firma mehr zu verteilen. Am 04. November 2017 wurde Bakr bin Laden zusammen mit zwei Brüdern schließlich ebenfalls Opfer der oben beschriebenen Anti-Korruptionskampagne und ganze 15 Monate ohne Gerichtsverhandlung gefangen gehalten.[48] Gut 37 % der Anteile an der Binladin Group wurden daraufhin verstaatlicht und der Großteil seines Vermögens beschlagnahmt.

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Mohammed bin Salman zu Besuch im Weißen Haus. Der Kronprinz ist zur wohl mächtigsten Person Saudi Arabiens aufgestiegen und hat durch Präsident Trump einen großen Unterstützer gefunden. [Bild: The White House|Wikimedia]
Es ist mehr als bitter, dass nicht der größte Terroranschlag der Geschichte, sondern der Machthunger des jungen Kronprinzen womöglich das Ende der Familie bin Laden bedeuten könnte, denn selbst Reichtum kann dich in einer Monarchie nicht retten. Wie die Zukunft des Konzerns aussehen wird steht noch in den Sternen, doch ganz zufällig baut die Binladin Group derzeit nun das Prestigeprojekt „Neom“ der Königsfamilie.[49] Das Machtbeben in Saudi-Arabien ist unübersehbar und da sowohl der Gründer als auch der Baumeister des „Jeddah Towers“ Mohammed bin Salman höchstwahrscheinlich ein Dorn im Auge waren, bezweifle ich stark, dass das neue höchste Gebäude der Welt bald stehen wird. Als kleinen Abschluss des heutigen Themas noch ein interessanter Ausblick in finanzieller Sicht, denn die enormen Eingriffe des saudischen Könighauses haben logischerweise zu großen Verlusten innerhalb der Saudi Binladin Group geführt. Um das größte Bauunternehmen des Orients noch zu retten, sind nun zwei Investmentbanken in der näheren Auswahl mit einen Kredit von unglaublichen 15 Mrd. Dollar einzuspringen: Rothschild & Co und die recht junge Moelis & Company.[50] Der tatsächlichen Gewinner dieses Konfliktes könnte im Schatten also einmal mehr die Finanzindustrie sein.


Quellenverzeichnis

1 https://en.wikipedia.org/wiki/Skyscraper#cite_note-CTBUH-3
2 https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_h%C3%B6chsten_Hochh%C3%A4user_der_Welt
3 https://www.skyscrapercenter.com/building/goldin-finance-117/73
4 https://en.wikipedia.org/wiki/Djamaa_el_Djaza%C3%AFr
5 https://middle-east-online.com/en/djamaa-el-djazair-bouteflika%E2%80%99s-%E2%80%98unfinished-dream%E2%80%99
6 https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/brennpunkte_nt/article191215549/Algeriens-Praesident-Bouteflika-kuendigt-Ruecktritt-an.html
7 https://www.sueddeutsche.de/politik/auswaertiges-amt-china-uiguren-verfolgung-1.4779614
8 https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_tallest_buildings_in_Africa
9 https://en.wikipedia.org/wiki/Lakhta_Center
10 https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_tallest_buildings_in_Europe
11 https://en.wikipedia.org/wiki/Moscow_International_Business_Center
12 https://worldpopulationreview.com/world-cities/shenzhen-population/
13 https://www.deutschlandfunk.de/vor-zehn-jahren-baubeginn-des-one-world-trade-centers-in.871.de.html?dram:article_id=352450
14 https://www.nytimes.com/2019/06/06/nyregion/newyorktoday/nyc-skyline-real-estate.html
15 https://www.bloomberg.com/news/articles/2019-12-17/new-york-billionaires-row-ranked-world-s-top-luxury-street
16 https://www.cnbc.com/2018/02/22/michael-dell-purchased-100-million-penthouse-that-broke-manhattan-records.html
17 https://www.stern.de/wirtschaft/immobilien/new-york–geschaeftsmann-kauft-teuerste-wohnung-der-usa-8547994.html
18 https://www.tagesschau.de/ausland/newyork-147.html
19 https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_tallest_residential_buildings
20 https://de.wikipedia.org/wiki/Singer_Building
21 https://www.emporis.com/statistics/most-skyscraper-cities-worldwide
22 https://en.wikipedia.org/wiki/Jeddah
23 https://de.wikipedia.org/wiki/Haddsch
24 https://wowtravel.me/the-12-tallest-flagpoles-in-the-world/
25 https://en.wikipedia.org/wiki/King_Fahd%27s_Fountain
26 https://thejeddahtower.org/
27 https://www.focus.de/immobilien/bauen/jeddah-tower-mehr-als-einen-kilometer-hoch-hier-entsteht-der-groesste-wolkenkratzer-der-welt_id_8469041.html
28 https://www.travelbook.de/attraktionen/architektur/jeddah-tower
29 https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/architektur/kingdom-tower-1007-metern-hoechstes-gebaeude-welt/
30 https://www.wiwo.de/wirtschaft-von-oben/wirtschaft-von-oben-28-jeddah-tower-vor-jeder-krise-gehts-nach-oben/25342542.html
31 https://en.wikipedia.org/wiki/Al-Waleed_bin_Talal
32 https://www.forbes.com/profile/prince-alwaleed-bin-talal-alsaud/#74c122891dbf
33 https://www.handelsblatt.com/unternehmen/management/prinz-alwaleed-bin-talal-der-arabische-warren-buffett/2841450.html
34 https://www.nytimes.com/2019/01/31/world/middleeast/saudi-arabia-corruption-purge.html
35 https://en.wikipedia.org/wiki/2017%E2%80%9319_Saudi_Arabian_purge
36 Michael Lüders: „Armageddon im Orient: Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt“. Beck 2019
37 https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/steuern-wie-sich-saudi-arabien-vom-oel-unabhaengig-machen-will-1.3811289
38 Dirk Müller: „Machtbeben“. Heyne 2018
39 https://en.wikipedia.org/wiki/Jeddah_Economic_City
40 https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/neom-saudi-arabiens-mega-projekt-was-steckt-dahinter-a-1174683.html
41 http://www.sbg.com.sa/holy-mosque.html
42 https://en.wikipedia.org/wiki/Bakr_bin_Laden
43, 44 https://en.wikipedia.org/wiki/Osama_bin_Laden
45 https://www.theguardian.com/world/2018/aug/03/osama-bin-laden-mother-speaks-out-family-interview
46 https://www.deutschlandfunkkultur.de/der-verstossene-osama.950.de.html?dram:article_id=136289
47 https://www.reuters.com/investigates/special-report/saudi-binladin-fall/
48 https://www.reuters.com/article/us-saudi-arrests-binladin/bakr-bin-laden-temporarily-released-from-saudi-detention-sources-idUSKCN1PI2HZ
49 https://gulfbusiness.com/saudi-binladin-diverted-tens-thousands-of-workers-complete-kings-neom-palace/
50 https://www.bloomberg.com/news/articles/2019-10-02/rothschild-moelis-compete-for-15-billion-binladin-debt-revamp

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